Präzise gepumpte Medikationen

Felix Shädler holding a pump housing between his fingers
Medizingeräte erleichtern Menschen mit chronischen Krankheiten das Leben ungemein. Automatisierte Dosiersysteme verdrängen zunehmend die bisher praktizierte Art und Weise, die lebensnotwendigen Medikamente durch Injektionen zu verabreichen. Trelleborg und WACKER haben jetzt eine Mikroinjektionspumpe entwickelt, die in solchen Geräten das erzstück darstellt.

Menschen mit chronischen Krankheiten müssen regelmäßigbestimmte Zustände abfragen. Wer Diabetes hat, prüft den Insulinspiegel, Patienten mit Parkinson müssen die Apomorphindosierung einstellen. Eine falsche Medikamentengabe kann eine Behandlung weniger effektiv machen oder im schlimmsten Fall sogar lebensbedrohlich sein. 

 

Manche Krankheiten lassen sich durch die Injektion von Medikamenten in Schach halten. Tragbare Medizingeräte wie Insulinpens sind besonders komfortabel und ermöglicheneine schnelle und sichere Abgabe flüssiger Arzneimittel auch im Alltag. Dennoch müssen sich die Patienten genau an die Dosierung und Uhrzeiten der Abgabezeitpunkte erinnern.

 

Automatisierte Dosiersysteme gehen nun noch einen Schritt weiter. Diese handtellergroßen Geräte werden zum Beispiel mit Pflastern direkt auf der Haut befestigt. An der Oberfläche, die mit dem Patientenin Kontakt ist, befindet sich eine äußerst feine Nadel, die automatisch ausfährt und eine vorprogrammierte Menge des Medikaments verabreicht, ohne dass der Patient auch nur einen einzigen Handgriff machen muss. Die hochpräzise Steuerung gibt Mengen von nur wenigen Mikrolitern des Wirkstoffs über eine festgelegte Anzahl von Minuten, Stunden oder auch Tagen ab. Für die Betroffenenerhöht sich dadurch die Lebensqualität deutlich — sie gewinnen Flexibilität hinzu und brauchen sich weniger um die richtige Dosierung der Medikation zu sorgen.

 

Eines der wichtigsten Teile dieser Medizingeräte ist eine Pumpe für Mikroinjektionen, die zuverlässig die genaue Dosierung einhält. Trelleborg Sealing Solutions erhielt von einem der weltweit führenden Anbieter pharmazeutischer und medizinischer Produkte den Auftrag, ein Pumpengehäuse aus Kunststoff und Silikon mit zu entwickeln. Im Inneren dieser Pumpe stellt ein besonderer, innovativer Werkstoff des deutschen Chemieunternehmens WACKER den reibungslosen Betrieb sicher. 

 

„Die äußerst genaue Medikamentendosierung der Pumpe war die Grundvoraussetzung für den Erfolg des gesamten Geräts“, sagt Felix Schädler, Project Manager bei Trelleborg Sealing Solutions, der eine wichtige Rolle bei der Entwicklung spielte.

 

Die feingliedrige Mikroinjektionspumpe besteht aus einem zylindrischen Hohlkörper, in dem ein Kolben elektrisch auf- und ab bewegt wird. Damit wird das Medikament aus dem Vorratsbehälter angesaugt und zur Injektionsnadel gefördert. Das Pumpengehäuse ist in unterschiedlichen Versionen erhältlich und kann zwei oder zehn Mikroliterdes flüssigen Medikaments bereitstellen. Mit einer Länge von 15 Millimetern ist die kleine Pumpe kaum größer als ein Fingernagel.

 

Reibung, Dichten und die Haftung der beiden unterschiedlichen Werkstoffe bei sehr wenig Platz waren für die Entwickler von Anfang an große Herausforderungen. Hinzu kam noch der Wunsch nach einer kompakten Größe. Außerdem sollten die Kosten im Rahmen bleiben, da die Injektionspumpe im Medizingerät für den Einmalgebrauch vorgesehen ist. Aus Sicherheitsgründen müssen alle Elemente des Dosiersystems, die in Kontakt mit dem Medikament oder dem Patienten kommen — also auch die Injektionspumpe —, nach der Verwendung entsorgt werden. Andere Komponenten wie das Gehäuse, der Motor und die Batterie können erneut verwendet werden.

 

„Auf Grund der sehr kleinen Abmessung und der geringen Toleranzen ließ sich das Bauteil nur im Zweikomponenten-Spritzguss mit Dichtungen aus Flüssigsilikon fertigen“, berichtet Schädler. 

 

Die Verarbeitung von Flüssigsilikon (Liquid Silicone Rubber, LSR) ist das Spezialgebiet des Werks von Trelleborg im schweizerischen Stein am Rhein. Hier gibt es beachtliche Reinraumfertigungskapazitäten für medizintechnische Anwendungen und die Produktion findet unter streng kontrollierten und überwachten Bedingungen statt.

 

Zweikomponenten-Spritzgießen wird für medizinische Anwendungen immer häufiger verlangt. Schädler erläutert: „ Selbsthaftende LSRTypen sind für Lebensmittel- und für pharmazeutische Anwendungen immer mehr verfügbar, sodass das der 2K-Spritzguss in diesem Bereich überhaupt erst umsetzbar ist.“

 

Thermoplastische Elastomere (TPE) erwiesen sich als ungeeignet für diese spezielle Anwendung. So wandte sich Schädler mit seinem Team dem selbstklebenden Flüssigsilikonkautschuk SILPURAN® 6700 zu. WACKER vermarktet unter der Marke SILPURAN seit etwas mehr als zehn Jahren spezielle Silikonwerkstoffe für die Medizintechnologie. „In diesemLSR-Portfolio für empfindliche Anwendungen verwenden wir bestimmte Formulierungen, die auch besonders kritischen
Reinheitsanforderungen genügen“, sagt Dr. Ulrich Frenzel, der bei WACKER im technischen Marketing tätig ist.

 

Die außergewöhnlich gute Haftung mit einer großen Anzahl thermoplastischer Werkstoffe sorgt dafür, dass die selbsthaftenden LSR-Typen von WACKER ideal für den Zweikomponenten- Spritzguss geeignet sind.

 

Tests, die der Medizingerätehersteller und das Elastomerlabor von Trelleborg in Stuttgart durchführten, zeigten unter anderem, dass SILPURAN 6700 für eine lange Lagerung zusammen mit dem Medikament geeignet ist. Da dieses in direkten Kontakt mit den Dichtungen kommt, müssen Interaktion jeder Art ausgeschlossen werden. Als jedoch die Pumpe einem Funktionstest unterzogen wurde, ergab sich, dass die Reibung zwischen dem Kolben und der Zylinderoberfläche aus SILPURAN 6700 zu groß war.

 

Da schon die kleinste Über- oder Unterdosierung eines Medikaments das Leben des Patienten bedrohen kann, muss die Pumpe unbedingt mit geringer Reibung laufen. Wenn die Reibung zwischen Kolben und Zylinder zu hoch ist, erfordert das Pumpen mehr Kraft, was wiederum einen anderen Antrieb und damit ein insgesamt größeres Gerät erforderlich macht. Oder der Kunde hätte einen Schmierstoff verwenden müssen, was jedoch wiederum das zu verabreichende Medikament bei Kontakt verschlechtern oder gar verunreinigen könnte. Aus demselben Grund verbat sich auch der Einsatz von ölhaltigen Silikonen, die WACKER für Anwendungen etwa im Automobilbereich anbietet.

 

Die Werkstoffspezialisten von WACKER fanden dann jedoch eine Lösung, die ohne Öl funktioniert. „Wir haben die Problemstellung den Fachleuten von WACKER vorgelegt und sie kamen schnell auf erste Ansätze einer möglichen Innovation“, sagt Schädler. „Entwickelt wurde eine völlig neue Werkstofftechnologie, die bereits nach einem Jahr vertriebsfähig war.“

 

Dr. Florian Liesener vom technischen Marketing bei WACKER erläutert: „In unserem Sortiment gab es Flüssigsilikonkautschuke mit selbsthaftenden Eigenschaften und es gab auch Produkte mit geringen Reibungskoeffizienten. Doch kein Stoff, der für empfindliche Anwendungen geeignet war, vereinte beide Merkmale auf sich. Die Mikropumpe bot daher die ideale Gelegenheit, beide Eigenschaften in einem Silikon zusammenzuführen.“

 

Der zu schaffende LSR sollte Eigenschaften haben, die physikalisch eigentlich nicht vereinbar sind: hohe Haftung und geringe Gleitreibung — mit anderen Worten halten und gleichzeitig loslassen. Das klingt im Grunde unmöglich. Doch: „WACKER hat dieses physikalische Rätsel offenkundig chemisch gelöst, und zwar ohne Probleme“, so Schädler.

 

Der entwickelte Werkstoff wurde 2016 der Öffentlichkeit unter dem Handelsnamen SILPURAN 6760/50 vorgestellt. Bis heute ist er der einzige marktreife selbsthaftende, reibungsmodifizierte Flüssigsilikon mit zertifizierter Biokompatibilität.

 

Im kompakten Medikamentenverabreichungsgerät übernimmt das zuverlässige SILPURAN 6760/50 eine wichtige Doppelfunktion. Für die Nutzer mag das vorerst unsichtbar bleiben, doch sie erkennen in der Anwendung, welche neuen Freiheiten sie hiermit gewinnen. 

 


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